Kapitel 3 - Voll gesperrt
Mit gerade mal 15Min. Restfahrzeit bin ich letzte Nacht um 03:15Uhr zu Hause angekommen und bin gleich ins Bett gefallen. Nach einem ausgiebigen Frühstück musste ich meiner Mama erst mal alles von meiner ersten Woche „On the Road“ erzählen. Danach habe ich mich an meinen Laptop gesetzt, um den Kunden meiner ersten Woche meine geleisteten Dienste in Rechnung zu stellen und ich mich im Internet mit weiteren Aufträgen für die nächste Woche zu versorgen. Am Montag Morgen geht es erst mal um 09:00Uhr weiter mit einer Ladung Tomaten von Köln nach Lille. Und von dort weiter mit einem Trailer voll Getränke nach Metz. Damit bin ich bis Dienstag Morgen vorerst versorgt. Bis dahin finde ich bestimmt wieder was. Ich hatte mir eigentlich fest vorgenommen, dieses Wochenende selbst daran zu denken mir Proviant für die kommende Woche zu besorgen, aber meine Mama war schneller. So blieb mir nur noch mich wenigstens zu revanchieren, indem ich mich um das Abendessen kümmerte.
Nach dem Essen bin ich zu Markus gegangen, um ihm nochmal persönlich für die Kühlbox zu danken und ihm bei einem Bierchen von meiner ersten Woche zu erzählen. Und wie das dann oft so ist, aus einem Bierchen wurden 2, dann drei … bis keins mehr da war. Und so liege ich am Sonntag Vormittag mit einem ganz schönen Brummschädel im Bett. Vor ein paar Minuten wurde ich von meiner Mum mit den Worten >>
Gleich gibt’s Essen!<< geweckt. Es gibt Zwiebel-Sahne-Schnitzel mit Kroketten und Salat. Ist ja unter normalen Umständen schon ein Genuss, aber nach einer Woche Brot und komischen französischen Essen schmeckte es noch viel besser. Nach dem Essen holte mich Markus ab und wir verbachten den restlichen Sonntag im Zündorfbad und ließen uns die Sonne auf den Pelz scheinen.
Am Montag Morgen machte ich mich schon um 08:00Uhr auf den Weg zu meinem nächsten Kunden. Eigentlich soll der Auftrag erst um 09:00Uhr abgeholt werden, aber ich war schon wach und vielleicht habe ich ja Glück, und der Trailer ist schon früher abholbereit. Beim Kunden angekommen, wurde meine Hoffnung gleich vernichtet, aber man bot mir an, in der Kaffeeküche zu warten und ich könne mich auch am Kaffee bedienen. Das lies ich mir nicht 2x sagen.
Um kurz nach halb neun kam eine ältere Frau (geschätzt Mitte 50) in die Küche. >>
Kommen Sie bitte mit, ihr Trailer ist jeden Moment fertig und wir können ja schon mal die Papiere fertig machen.<< Ich folgte ihr etwas verwundert zurück in die Dispo. Sie sah gar nicht aus, wie man sich eine Disponentin vorstellen würde, eher wie eine Chefsekretärin Anfang der 90er. Die Brille an einer Goldkette um den Hals, Business-Outfit (Knielanger Rock, Bluse und Sakko) und eine Frisur, die wahrscheinlich durch Unmengen an Haarspray selbst einen Wirbelsturm unbeschadet überstehen würde. Als wir im Büro die Papiere durchgingen fing sie sogar an mit mir zu flirten, und das so offensichtlich, dass ihre Kollegen sich das Lachen verkneifen mussten. Nachdem ich endlich alles unterschrieben hatte steckte ich schnell die Papiere ein und verlies fluchtartig das Büro und sah zu, dass ich so schnell wie möglich vom Hof kam.

Auf meinem Weg nach Lille kam ich erneut am Airport-Liége vorbei. Und genau in dem Moment setzte ein Flug parallel zur Autobahn zum Start an. Natürlich habe ich das Rennen verloren, aber es war interessant anzusehen, wie sich diese riesige Maschine langsam vom Boden löste und in die Lüfte stieg. Ich war so fasziniert, dass ich kurz der Leitblanke zu meiner Rechten etwas näher kam.
In Belgien ist die Landschaft so flach, dass ich kaum bemerkte, dass ich nur 360PS unter der Haube habe. Und so kam ich sogar früher in Lille an als ich dachte. Deshalb gönnte ich mir, nachdem der Trailer mit den Tomaten abgeliefert war, eine kleine Pause und warf einen kurzen Blick ins Internet. Und siehe da, von Metz wollen ein paar Gabelstapler nach Strasbourg gefahren werden. 3…2…1…meiner! Und Sanitätsartikel müssen von Strasbourg nach Torino gefahren werden. 3…2…1…auch meiner! So konnte die Woche weitergehen.
Also auf zum nächsten Kunden und den Trailer mit den Getränken für Metz abgeholt. Hier wollte keine von den Disponentinnen mit mir flirten, dabei hätte ich bei zweien nichts dagegen gehabt. Aber auch das konnte meiner guten Laune nichts anhaben und so ging es weiter und wieder zurück auf die Autobahn.
Bei dem Getränkehändler in Metz sind Anlieferungen nur von 06:00Uhr bis 19:00Uhr möglich. Da es bereits 18:30Uhr war, und laut Navi es noch 109km bis zum Ziel waren, bin ich den nächsten Parkplatz angefahren. Eine Strafe brauchte ich nicht zu befürchten, ich hatte Zeit bis Morgen Mittag, um den Trailer abzuliefern. Und so habe ich mir noch ein bisschen die Beine vertreten und mit einem kühlen Bierchen von der Raststätte den Sonnenuntergang genossen, bevor ich mich in meine Koje verkrümelte.
Obwohl ich mir wirklich Zeit gelassen hatte, bkam ich eine halbe Stunde zu früh in Metz an und musste noch bis 06:00Uhr warten, bis ich den Trailer abliefern konnte. Zum Glück waren die Straßen wie leer gefegt und es störte niemanden, dass ich halb auf der Straße und halb auf dem Bürgersteig darauf gewartet hatte, dass der Getränkehändler endlich seine Tore öffnete.
Die Mitarbeiter des Getränkehändlers waren wohl noch nicht ganz wach. Zumindest könnte das ein Grund für die langsame Arbeitsweise dort gewesen sein. Es dauert fast eine Stunde, bis ich mich auf den Weg zu den Gabelstaplern etwas außerhalb der Stadt machen konnte. Hier waren die Angestellten wohl schon etwas länger auf den Beinen. Es dauert nicht einmal 15 Min., und ich konnte mich schon um 07:30Uhr auf den Weg nach Strasbourg machen.
Der Vorteil an der Maut in Frankreich ist, dass sich dadurch viele Leute scheinbar überlegen, ob sie wirklich die Autobahn benutzen wollen oder doch lieber über die kostenlosen Landstraßen fahren. Die Autobahnen sind hier jedenfalls bei weitem nicht so verstopft wie man es aus Deutschland kennt und natürlich sehr angenehm zu fahren. Und als LKW stört einen auch nicht die generelle Begrenzung von 130km/h.
Was mich aber definitiv stört, sind die Mautstellen. Da ist die Zeit, die man durch die freie Strecke gewinnt gleich wieder verloren, vom Geld mal ganz abgesehen. Aber was hilft es zu jammern, also habe ich brav bezahlt und die letzten Meter bis Strasbourg ohne Probleme hinter mich gebracht.
Knappe drei Stunden später rollte ich beim Empfänger der Gabelstapler auf den Hof. Auch hier lief wieder alles ohne Probleme. Trailer an die Rampe, Papiere abgeben und schon ging es weiter. Der nächste Kunde war diesmal nur eine Straße weiter, aber trotzdem wäre ich fast an ihm vorbei gefahren. Er hatte, nicht so wie meine bisherigen Kunden, eine sehr schmale Einfahrt und die Laderampen auf der Rückseite des Geländes in einem recht engen Hof.

Hier verlies mich dann wieder mein Glück. Im Büro teilte man mir mit, dass ich noch mindestens eine Stunde warten müsste, bis mein Trailer fertig beladen ist. So stapfte ich erst mal zurück zu meinem Truck und nutzte die Zeit, um auf Google-Maps mir die möglichen Routen nach Torino etwas genauer anzuschauen. Es gab 2 Möglichkeiten. Entweder die kürzere Strecke über Bern und über einen Landstraßenpass über die Alpen, oder die längere Strecke über die A2 durch den Gotthard-Tunnel. Die Landstraße wäre mit Sicherheit landschaftlich sehr interessant gewesen, aber trotzdem wollte ich es meinem Scania nicht antun und entschied mich für die A2.

Es dauerte noch fast zwei Stunden, bis ich mich endlich auf den Weg nach Torino machen konnte. Dadurch schaffte ich es heute natürlich nicht mehr bis nach Italien und musste am Rastplatz Neuenkirchen-Ost raus, um meine Ruhepause anzutreten. Nachdem ich einen Parkplatz gefunden hatte, warf ich erst mal einen Blick ins Internet, brauchte ja noch einen Auftrag von Torino nach irgendwo. Und da war mein Glück wieder, ein paar Auto’s müssen von Torino nach Zürich gefahren werden und ein Trailer Milchpulver von Zürich nach Genéve. Mit dem guten Gefühl, die nächsten Aufträge sicher zu haben, ging ich zur Toilette und musste dabei feststellen, dass die Sanitären-Anlagen hier einen sehr sauberen Eindruck machten. So entschied ich mich noch mal zurück zum Truck zu gehen, und meine Duschsachen zu holen. Wer weiß, wann ich das nächste Mal eine so saubere Dusche finden würde. Nach dem Duschen kam ich am Restaurant der Raststätte vorbei, welches fast bis auf den letzten Platz voll war. Ein Aufsteller vor dem Eingang verriet mir auch warum. Heute Abend gab es „Buffet 19“, saisonales Gemüse, Grillspezialitäten und hausgemachte Desserts für nur CHF 24,90. Zwei Stunden später kam ich ziemlich überfressen und um ein paar Truckergeschichten meiner Tischnachbarn reicher zurück zu meinem Truck. Ich gönnte mir noch eine letzte Zigarette in der Hoffnung, mein Bauch würde sich nachher nicht mehr wie kurz vorm Platzen anfühlen (negativ) und wuchtete mich irgendwie in meine Koje.

Als mein Wecker klingelte fühlte ich mich, als hätte ich gerade mal eine halbe Stunde geschlafen. Mein ganzer Körper war so mit der Verdauung des Buffets beschäftigt, dass ich erst sehr spät eingeschlafen bin. Ich quälte mich aus meiner Koje, ging noch kurz auf die Toilette und machte mich weiter auf den Weg nach Torino. Um kurz nach Mitternacht hatte ich dann auch den Gotthard-Tunnel passiert. Jetzt waren es nur noch ein paar Kilometer bis „Bella Italia“.
Fortsetzung folgt ...
P.S.: Lob und Kritik sind weiterhin erwünscht. Es wäre schön wenn wenigstens einer, egal ob Lob oder Kritik, einen Kommentar abgeben würde. Ich möchte ungern erneut die Forenregeln (Doppelpost) brechen.